A Short Treatise on the Metaphysics of Tsunamis

Im Jahr 1755 wurde die Stadt Lissabon durch ein schreckliches Erdbeben zerstört. Fast 250 Jahre später löste ein Erdbeben unter dem Indischen Ozean einen Tsunami aus, dessen verheerende Auswirkungen in einem riesigen Gebiet zu spüren waren. In beiden Fällen wurde eine Naturkatastrophe als Folge menschlichen Übels gedeutet. Zwischen diesen beiden Ereignissen gab es zwei unbestreitbare moralische Katastrophen: Auschwitz und die Bombardierung von Hiroshima und Nagasaki. Und doch verglichen die Überlebenden des nuklearen Holocaust den Schrecken, den sie erlitten hatten, mit einer Naturkatastrophe - einem Tsunami. Jean-Pierre Dupuy fragt, ob die Menschheit von Lissabon bis Sumatra wirklich nichts über das Böse gelernt hat. Wenn die moralischen Verbrechen unerträglich groß sind, argumentiert er, ist unsere Fähigkeit, das Böse zu beurteilen, schwer beeinträchtigt, und die Versuchung, menschliche Gräueltaten als Angriff auf die natürliche Ordnung der Welt zu betrachten, wird unwiderstehlich. Dieser Impuls legt auch eine Art metaphysische List nahe, die es ermöglicht, das Böse in ein Schicksal umzuwandeln, das der Mensch nur zu vermeiden sucht. Der Aufschub einer apokalyptischen Zukunft hängt davon ab, dass man sich dieses Paradoxon zu eigen macht und die Zukunft selbst auf eine radikal neue Weise betrachtet. Die amerikanische Ausgabe von Dupuys klassischem Essay, der 2005 zum ersten Mal veröffentlicht wurde, enthält auch ein Postskriptum über den Nuklearunfall, der sich 2011 in Japan ereignete, ebenfalls als Folge eines Tsunamis.

Autor/Hrsg.: Dupuy, Jean-Pierre

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