Akzeptanz in Zeiten der Krise

Gastbeitrag von Matthias Büchse am 29. April 2025

In den letzten Jahren ist im Zusammenhang mit globalen Großtendenzen – wie galoppierendem Klimawandel, massenhaftem Artensterben, Umweltverschmutzung mit Mikroplastik etc. – immer wieder die Rede von Begriffen wie kaskadierende Krisen, Polykrise, Metakrise oder auch Sinnkrise. Was häufig unterstellt wird: Die Krisen seien vermeidbar und ihre Existenz gewissermaßen ein Fehler. Dem möchte ich hiermit entschieden widersprechen und für eine demütige, akzeptierende Haltung plädieren.

Damit eines gleich klar ist: Ich halte die besagten Großtendenzen für real und weitestgehend menschengemacht. Ansonsten behaupte ich: (i) Existenzbedrohende Krisen sind nicht zu vermeiden, (ii) dass es sie gibt, ist nicht unbedingt ein Fehler, (iii) auch menschengemachte Krisen sind nicht zu vermeiden, und (iv) das Leben ist ein Mysterium.

Existenzbedrohende Krisen sind nicht zu vermeiden

Unsere Existenz wäre bedroht, wenn in hinreichender Nähe eine Supernova aufträte – Ereignisse dieser Art haben in der Erdgeschichte mutmaßlich schon zu zwei Massenaussterben geführt. Ähnlich wäre es, wenn ein hinreichend großer Himmelskörper mit der Erde kollidierte – ein solches Ereignis hat ebenfalls mutmaßlich ein Massenaussterben herbeigeführt. Oder wenn hinreichend große Vulkane ausbrächen – auch solche Ereignisse haben in der Vergangenheit zu erheblichen Krisen geführt. Wir könnten solche Ereignisse nicht verhindern.

Spätestens, wenn die Sonne sich zu einem Roten Riesen aufbläht, ist alles vorbei.

Dass es Krisen gibt, ist nicht unbedingt ein Fehler

Es kommt natürlich darauf an, wen man fragt. Es wäre jedoch anmaßend, diese Krisen als absolut falsch zu bezeichnen, so als hätten wir Kenntnis vom Sinn und Zweck des Universums. Die Dinosaurier hätten den Meteoriteneinschlag, der zu ihrem Aussterben führte, wahrscheinlich auch falsch gefunden; wir dagegen würden wohl nicht uneingeschränkt zustimmen. Unproblematisch dagegen ist folgende abgeschwächte Form: Wir empfinden die Entwicklung als falsch, oder besser gesagt: nicht wünschenswert. Diese Unterscheidung finde ich wichtig.

Auch menschengemachte Krisen sind nicht zu vermeiden

Offenkundig sorgt die Evolution für ein austariertes Ökosystem: Wenn Löwen im Schnitt schneller laufen, dann bleiben auch nur die schnelleren Antilopen übrig. Alle Arten evolvieren also gemeinsam in einem dynamischen Gleichgewicht. Wirklich alle Arten? Nein, denn dem Menschen ist keine Lebensform angeboren, sondern seine Lebensformen unterliegen einer eigenen kleinen Evolution, die allerdings viel schneller abläuft als die biologische Evolution.

Manche Lebensformen können das dynamische Gleichgewicht womöglich empfindlich stören und zu existenziellen Krisen führen. Mit anderen Worten: der Mensch ist die einzige Art, die „etwas falsch machen kann“. Dabei geht es aber nicht um Moral. Die Evolution kennt keine Moral; sie ist sogar sehr erfinderisch, was Schweinereien angeht: Sklavenhaltung, Nestraub, Parasitismus – alles kommt vor. Entscheidend ist lediglich, ob eine Lebensform das dynamische Gleichgewicht stört oder ob sie im Gegenteil tragfähig ist.

Wenn man Aussterberaten zugrundelegt, dann ist unsere heutige Lebensform sicherlich nicht tragfähig. Allerdings waren die Aussterberaten schon erhöht, bevor der Mensch überhaupt sesshaft geworden ist. Schon vorher hat der Mensch die Megafauna (wie Säbelzahntiger, Wollmammut) verdrängt – mutmaßlich haben Menschen die großen Tiere gar nicht unbedingt direkt getötet, sondern eher den Großräubern ihre frisch erlegte Beute abgenommen, wodurch diese sich neue Beute suchen mussten, was letztlich sowohl die Jäger als auch die Beute erheblich unter Druck gesetzt hat.

Nun ist es allerdings nicht so, dass sich problematische Lebensformen leicht vermeiden ließen. Am Anfang, wenn sich die Lebensform noch nicht weit ausgebreitet hat, ist es schwer möglich, ihre Folgen für das Ökosystem einzuschätzen. Erst, wenn sie sich hinreichend ausbreitet, werden die Probleme sichtbar.

Man könnte sogar sagen, dass Ausbreitung und Problembehaftung einer Lebensform einander bedingen und stark korrelieren! Denn erstens steigen mit der Population der Menschen die Auswirkungen auf das ökologische Gleichgewicht, und zweitens führen gewisse ökologisch problematische Verhaltensweisen (wie das Überfischen) kurz- und mittelfristig erst mal zum Erfolg. Im Wettbewerb der Lebensformen dominieren am Ende eigentlich nur problematische Lebensformen (so wie heute).

Die Dominanz problematischer Lebensformen ließe sich in der Tat nur vermeiden, wenn sich genügend mächtige Menschen zusammenfinden und eine Art Weltregierung etablieren, die eine tragfähige Lebensform global durchsetzt. Die Wahrscheinlichkeit dafür ist nahe Null, und davon abgesehen wissen wir ja gar nicht, wie eine tragfähige Lebensform aussieht.

Wir Menschen leben mit einem dreifachen Trauma:

  1. Verantwortung: Wir sind die einzige Spezies, die das dynamische Gleichgewicht stören kann.
  2. Ohnmacht: Der Wettbewerb zwingt uns in problematische Lebensformen. Wir können allenfalls erahnen, wie eine tragfähige Lebensform aussieht.
  3. Leid: Wir werden jetzt Zeugen der unvermeidlichen Zerstörung.

Das Leben ist ein Mysterium

Ich habe schon mehrmals nach einem Rezept für das richtige Leben gesucht. Es gibt genügend Weltanschauungen, die sich dafür anbieten. Aber dieses ganze Ansinnen ist schlicht anmaßend – wir wissen nicht, wofür das Leben da ist und wie es richtig geht. Und nochmal: Wir können viele Dinge, für die wir verantwortlich sind, nicht beeinflussen. (Einige Leute argumentieren sogar recht schlüssig, dass das menschliche Verhalten weitestgehend durch Genetik, Sozialisation und sonstige Umwelteinflüsse determiniert ist.)

Je nach Geschmacksrichtung können wir entweder sagen „Das Leben ist ein Mysterium“ oder „Das Leben ist absurd“. Und es gibt kein Leben ohne Leid oder gar ohne Tod. Das gilt für das Individuum, das gilt für die Art, und das gilt letztlich auch für die Erde als Ganzes.

Wir können es nicht managen, und wir müssen es nicht managen. Wir müssen es demütig hinnehmen und leben.

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